Claudia Klučarić

Text von Claudia Klučarić, 2019

Das konzentrierte Ich

Des öfteren werde ich gefragt, wie ich es aushalte, mich so zu exponieren.

Ich arbeite seit 2004 an einem Kontinuum von Rauminstallationen in einem Kubus in meinem Atelier. Zeitweise agiere ich selbst in diesem Raum als Subjekt, nutze mich - als gleichsam immer verfügbares Werkzeug - für die Umsetzung meiner konzeptuellen Arbeit, bin vor als auch hinter der Kamera tätig. Es gibt konkrete Vorhaben, aber diese entwickeln sich auch ihrer inneren Logik entsprechend. Ein wesentliches Element dieser Arbeitsweise ist die psychische Privatsphäre. Weitere im Raum Anwesende würden das Setting durch ihr Da-Sein verändern, daher sind es keine Performances. Die Arbeit ist immer anstrengend, physisch wie psychisch. Für die Umsetzung muss der Zeitpunkt stimmen. Was den Weg nach außen findet, sind verschiedene Formen der Dokumentation dieser Arbeit.
Die entstehenden Bilder und Videos zu zeigen, fällt mir nicht schwer, auch wenn die Arbeiten eine hohe psychische und körperliche Intimität aufweisen. Was für mich zählt, ist nur, ob ich mit der Arbeit zufrieden bin, ob sie meinen Vorstellungen entspricht. Wichtig ist, daß ich sie inhaltlich als notwendig empfinde. Wenn dies zutrifft, ist es für mich absolut irrelevant, ob es mir als Mensch unangenehm ist, mich (so) zu zeigen oder nicht. Die Arbeit steht ab diesem Zeitpunkt für sich, sozusagen neben mir - entkörperlicht.

So sehr ich versuche, als Mensch und nicht als Frau zu arbeiten, so sehr denke ich auch, daß es zunehmend spezifisch weibliche Standpunkte sind, die ich einnehme. Und tatsächlich ist es elementar, dass neben dem oft unreflektiert männlichen Blickwinkel in der Kunst bewußt Erfahrungen, Sichtweisen sowie das Selbstbild von Frauen repräsentiert werden. Was heißt es, eine Frau/ein Mann in dieser Gesellschaft zu sein?

Arbeit und Leben sind für mich sehr miteinander verschränkt. Die Themen meiner Arbeit sind Daseinsfragen, sie ergeben sich aus der Beobachtung und Analyse meines gesellschaftlichen Umfeldes, sie basieren auf meinen eigenen körperlichen und seelischen Erfahrungen. Es war für mich zwingend, daß ich mit 18 Jahren nach Abschluß der Schule das außerordentlich patriarchale Elternhaus fluchtartig verließ; ein Jahr lebte ich in beinah völliger Isolation in einer alten Keusche ohne Stromanschluß und fließendem Wasser. Danach studierte ich an der Akademie der Bildenden Künste in Wien an einer sehr männerdominierten Meisterschule Bildhauerei. Es hieß da, “Frauen haben künstlerisch nichts zu sagen" und "Frauen kann man nicht einmal zeichnen, die haben da nur so Gewächse" (Anm.: gemeint waren die Brüste ). Dieser Kampf, mich innerhalb eines patriarchalen Systems da wie dort selbst zu finden und zu behaupten, bildete die Basis dafür, dass ich mit etwa 30 Jahren bewußt die Entscheidung traf, absolut kompromißlos - und wiederum in weitreichender Isolation - meinen Weg als Künstlerin zu gehen, statt mich innerhalb der Dynamiken des Kunstmarktes und seiner Institutionen zweifellos zu verlieren. Naturgemäß wird man zum Außenseiter in der ohnehin am Rande der Gesellschaft befindlichen Kunst-Community, sobald man sich aufgrund der gegebenen Bedingungen bewußt dafür entscheidet, in dieser Weise zu arbeiten.

Heute weiß ich, daß weite Teile des Kunstpublikums sowie KunstkäuferInnen, durchaus aber auch KuratorInnen, sich schwer damit tun, die Qualität von Kunst außerhalb eines instutionellen Rahmens wahrzunehmen. Ich dachte, es würde ausreichen, konsequent und gut zu arbeiten - mittlerweile bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Dennoch bin ich unabänderlich davon überzeugt, die für mich richtige Entscheidung getroffen zu haben, obwohl es schwierig ist, sich auf diese kompromißlos autonome Weise zu behaupten.
Ich versuche als Individuum mit Mühe einen existenziellen Freiraum aufzuzeigen sowie offenzuhalten - mit der Kunst und mit meiner ganz persönlichen Erforschung des Individuums im immer schon gegebenen gesellschaftlichen und institutionellen Rahmen, zu dem ich wiederum dezidiert versuche, analytische Distanz zu halten. Diese Intimität eines künstlerische Freiraumes ist eine Arbeit an der Gesellschaft. (Dirk Baecker: Kunst ist der paradoxe Motor der Gesellschaft, sowohl ihr Fundament als auch ihre fundamentale Kritik). Das Ziel dieses Freiraums ist, dass andere ihn durch die Kunst in seiner schieren Existenz erkennen können, so wie z.B. auch im Fluxus das kurzfristige Eröffnen von “es könnte auch anders sein” ein Anliegen war.

Wir werden ständig kompromittiert - durch kontinuierliche Rollenzuschreibungen und durch systemische Gegebenheiten. Sie schränken uns in unserem Sein ein und behindern uns in unserer Entwicklung und unseren Möglichkeiten.
Das konzentrierte Ich wäre hingegen ein Ich jenseits all solcher Zuschreibungen und Beschränkungen. Man könnte meine Lebens- und Arbeitsweise als Gegenentwurf betrachten zu dem, was der Neoliberalismus einfordert.
Denn ich denke, jeder Weg, den die/der einzelne sich bahnt, steht damit auch anderen offen.

Claudia Klučarić