eine analytisch-poetische annäherung
Im Zuge dieser 4teiligen Videoarbeit, die (s)ich aus der Graphikserie GAZE entwickelte, habe ich mich vier Frauen
intensiv zugewendet – das heißt, ich versuchte mich in ihre Körper- und
Seelenbewegungen hineinzudenken und diese zu ergründen, um sozusagen "ihrem Atem
gerecht zu werden". Es war mir ein Anliegen, nicht ein gewöhnliches Portrait im Sinne einer Dokumentation zu produzieren, sondern auch Atmosphärisches und Transfaktisches zu
veranschaulichen, denn ich bin der Ansicht, eine Persönlichkeit ist so vielschichtig, daß die Verwendung rein dokumentarischen Materials nicht genügt.
Das Basismaterial filmte ich im Lebensumfeld der betreffenden Frauen, mit ihrer
Beteiligung und in dem Ausmaß, in dem sie es wünschten. Das Ausgangsmaterial beinhaltet sowohl Alltagsausschnitte als auch inszenierte/semi-inszenierte Parts. Weil man immer nur "einen Augenblick" zeigen kann, muß man den wählen, der das darstellt, was die BetrachterInnen unbedingt erfahren sollten. Meine Auswahl wurde mit den von mir den jeweiligen Frauen zugeordneten floating images versetzt und ergänzt um literarische Textstücke – als Stimme aus dem Off oder visuell eingeblendet. Die Textbruchstücke aus meiner quotation collection dienen gemeinsam mit den floating images dazu, Erkanntes darzustellen und Unwägbares anzudeuten, Erkanntes anzudeuten, Unwägbares darzustellen. So entstanden komplexe Verknüpfungen von fragmenthaften Elementen. Floating images, Text und Sound verleihen den Portraits zusätzliche Dimensionen und wurden für jede Frau durch einen Balanceakt zwischen Intuition und rationaler Analyse sozusagen maßgeschneidert. Das
Schnitt-Tempo betrachtete ich ebenfalls als abhängig vom Naturell der betreffenden Frau.
Die Herangehensweise folgt der Notwendigkeit: Manches muß knapp formuliert werden,
anderes ausufernd – manchmal muß etwas so lange dauern, bis es fast schmerzhaft wird,
anderes ist so flüchtig, daß es kaum wahrnehmbar ist.
Diese Videos leben vom kairós, vom günstigen Augenblick, von vertrauensvoller oft schutzloser Offenheit, nicht von gezieltem Fragen und akribischer Recherche allein. Die Arbeit "eine analytisch-poetische annäherung"entspricht dem Grundbedürfnis des Menschen, gefragt zu sein. Nicht einvernommen, nicht interviewt, sondern gefragt. In einem jüdischen Psalm wird ausgedrückt, was zu den deprimierendsten menschlichen Erfahrungen zählt: "Ich blicke nach rechts und schaue aus / doch niemand ist da, der mich beachtet... / niemand fragt nach meinem Leben". Betrachtung und Mit-Teilen von vergangenem Erlebtem erhellt die Wahrheit über die Gegenwart. Ein Sinn, der bisher im Fluß des Lebens verborgen war, taucht an der Oberfläche auf. Diesen Sinn zu erkennen, dazu hilft ein aufmerksames Gegenüber, ein sich einfühlender aktiver Zuhörer.