Katarakt


Als ich im Jahr 2015 in der Ausstellung "Komm mit nach Terezín" an der Akademie der Bildenden Künste in Wien von Ilse Weber erfuhr, war ich zutiefst berührt ob des Mutes und der Kraft dieser Frau.

Es gelang ihr auch den letzten Moment ihres Lebens – gleichsam mit dem Rücken zur Wand und scheinbar ohne Wahlmöglichkeit – für sich und andere bewußt zu gestalten, etwas Positives beizutragen und sich dem Sog des Negativen zu widersetzen.

Ilse Weber ist für mich eine jener herausragenden Persönlichkeiten, die zeigen, wie vielfältig unsere Möglichkeiten sind, selbst in Extremsituationen klare Entscheidungen zu treffen und im Idealfall sogar Handlungen zu setzen, die über uns und unsere eigenen Bedürfnisse hinaus wirken.

Tief beeindruckt von dieser Lebensenergie, die sich selbst angesichts des Todes noch behauptete, der durch andere gewaltsam und heimtückisch herbeigeführt wurde, beschloß ich, dazu beizutragen, das Andenken an sie zu bewahren.

Die 700teilige Arbeit "Katarakt", eine Weiterentwicklung von liquid love und Tränenbündel (zu Bild 37 klicken), ist ein Sinnbild der Lebensenergie.



gewidmet Ilse Weber (1903 - 1944)



Ilse Weber war eine jüdische Schriftstellerin und Komponistin, sowie erfolgreiche Kinderbuchautorin.

1939 gelang es ihr, ihren älteren Sohn nach England zu schicken, was ihm das Leben rettete. Zusammen mit ihrem Mann und dem jüngeren Sohn kam sie 1942 nach Theresienstadt, wo sie in der Kinderkrankenstation arbeitete und die Kleinen, aber auch die Erwachsenen mit Lyrik und Musik aufmunterte. Als 1944 alle Insassen der Station deportiert wurden, meldete sich Ilse Weber freiwillig, um ihre Schützlinge, darunter ihr Sohn Tommy, zu begleiten. Als sie in Auschwitz eintrafen, fragte sie einen Bekannten: "Stimmt es, daß wir duschen dürfen nach der Reise?" Dieser antwortete ihr: "Nein, das hier ist kein Duschraum, es ist eine Gaskammer, und ich gebe Dir jetzt einen Rat. Ich habe euch oft singen gehört in der Krankenstube. Geh so schnell wie möglich in die Kammer. Setz dich mit den Kindern auf den Boden und fangt zu singen an. Sing, was du immer mit ihnen gesungen hast. So atmet ihr das Gas schneller ein. Sonst werdet ihr von den anderen zu Tode getreten, wenn Panik ausbricht."

Ihrem Mann Willi gelang es, Texte und Lieder von Ilse Weber in einem Geräteschuppen in Theresienstadt einzumauern und sie als Überlebender der Shoa für die Nachwelt zu retten. (Quelle: Lisa Fischer: Komm mit nach Terezín. Musik in Theresienstadt 1941-45. Instrument des jüdischen Lebenswillens und der NS-Propaganda; Wien (Edition MoKKa) 2015)