Claudia Klučarić

Text von Harald Jurkovič aus dem Katalog GINKGO, erschienen anläßlich der Ausstellung "communication systems" und GINKGO im Künstlerhaus Graz, 1998

GINKGO BILOBA

Wegen entwicklungsgeschichtlich sehr ursprünglicher Merkmale nimmt der Ginkgobaum im System der Blütenpflanzen eine isolierte Stellung ein. Die Gattung Ginkgo enthält nur eine Art und ist die einzige Gattung der Ginkgobaumgewächse (Ginkgoceae), eine bis ins Unterperm (vor rd. 270 Mio. Jahren) zurückreichende Familie der Nacktsamer. Der Ginkgobaum ist ein Überbleibsel aus der Frühzeit der Erdgeschichte und gilt als älteste lebende Pflanzenart der Welt.
Der deutsche Arzt und Botaniker Engelbert Kaempfer war wohl der erste Europäer, der einen Ginkgobaum zu Gesicht bekam und zwar 1690 in Japan. Der Name ist auf das Wort Ginkyo zurückzuführen, das "Silberaprikose" bedeutet. Die Schreibweise 'Ginkgo' geht auf Kaempfer in dessen Werk "Amoenitates exoticae" (1712) zurück und beruht auf einem Druckfehler. In der Heimatprovinz Anhwei (China) hingegegen hieß der Ginkgobaum "Entenfuß", aufgrund seiner Blattgestalt. Weitere Trivialnamen lauten: Fächerbaum, Elefantenohrbaum, Mädchenhaarbaum, Mandelfrucht, beseeltes Ei.
Ginkgobäume sind zweihäusige Pflanzen, männliche und weibliche Blüten finden sich auf getrennten Bäumen. Die männlichen Blüten sind kätzchenförmig, überhängend und tragen an einer verlängerten Achse Staubblätter mit je zwei Pollensäckchen. Weibliche Blüten in der Achsel von Nieder- und Laubblättern, unscheinbar, hellgrün, am oberen Ende mit 2, je einem Wulst aufsitzenden Samenanlagen, von denen sich in der Regel nur eine entwickelt. In der Nachbarschaft von männlichen Individuen bilden weibliche Bäume stets reichlich Samen, die auch keimfähig sind. Die Bestäubung erfolgt durch den Wind. Der so auf die Samenanlage transportierte Pollen wird durch eine spezifisch gestaltete Öffnung in eine winzige, mit Flüssigkeit gefüllte Kammer geschleust.
1895 entdeckte der japanische Botaniker Hirase, daß die Eizellen der Ginkgo nicht von Spermakernen sondern von frei beweglichen Spermazellen (Spermatozoiden) befruchtet werden. An einem fleischigen, kräftigen Stiel, der aus demselben "Schoß" wie die Blattstiele hervorkommt, hängt die Frucht. Sie ist ganz rund oder länglich-rund und hat einen fleischigen Samenmantel, der zur Reifezeit graugrün oder gelblich gefärbt ist und beim Zerquetschen sehr unangenehm riecht. Die Entwicklung des Embryos findet hingegen erst statt, wenn die Samen bereits zu Boden gefallen sind.
Weltbekannt wurden einige Ginkgobäume in Hiroshima, weil sie den Atombombenabwurf überlebten, obwohl ihre Stämme vom Feuer ausgehöhlt wurden. So ein Baum steht im Tempelbezirk Hosenbo in Teramachi, nur 800 m vom Zentrum der Atombombenexplosion entfernt. Man sagt, der Baum habe auch den Tempel geschützt, der als einziger in dem Stadtteil nicht abgebrannt ist.


Die im Text enthaltenen, zum Teil geringfügig veränderten und miteinander kombinierten Zitate wurden folgenden Büchern entnommen:
Maria Schmid / Helga Schmoll gen. Eisenwerth (Hg.); Ginkgo. Ur-Baum und Arzneipflanze - Mythos, Dichtung und Kunst, Stuttgart 1994.
Ulrich Hecker: BLV Handbuch Bäume und Sträucher, München / Wien / Zürich 1995.
Josef H. Reichholf / Gunter Steinbach (Hg.): Die große Bertelsmann Lexikothek. Naturenzyklopädie Europas, Bd. 7: Gehölze, Bäume - Sträucher, München 1995.
Brockhaus Enzyklopädie, 20. Aufl., Bd. 8, Leipzig / Mannheim 1997.


Harald Jurkovič

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